Ein persönlicher Jahresrückblick von Rainer Pfaff, Vorsitzender des Kulturquartiers Lagarde e.V., mit den spannenden Höhen und Tiefen der Kulturpolitik in Bamberg

War da was?

Es ist schon eigenartig. Als ich mich hinsetzte, um diesen Jahresrückblick zu schreiben, waren meine ersten Gedanken: Was haben wir dieses Jahr eigentlich gemacht? War da was? Es kommt mir vor, als habe sich die Pandemie wie ein Schleier über alles gelegt. Unsere Aktionen und Treffen kommen mir vor, wie aus einem anderen Leben. Aber ganz im Gegenteil. Ja, da war sogar einiges!

Ich erinnere mich, dass es Anfang des Jahres Stimmen gab, die sagten: „Wenn das vorbei ist, treten wir bitte langsamer.“ Ich konnte das sehr gut verstehen, denn wir hatten im Herbst 2019 den Kulturherbst gemacht und das Programm für das Frühjahr war nicht weniger straff.
Den Anfang machte am 27. Januar eine Tanzdemo mit DJ Klabautermann am Gabelmann. Um die Organisation und Durchführung kümmerten sich Elli Grohberger und Matthias Schnapp. Für die nötige Technik und Logistik sorgte Tom Land.

Einen Tag später am 28. Januar fand ein Projekt seinen Abschluss, das direkt ohne Pause nach dem Kulturherbst begonnen hatte – das Projekt Wahlcheck Kultur mit einem Online-Wahlomaten und einer abschließenden Podiumsdiskussion mit fast allen damals zur Wahl stehenden Spitzenkandidaten und Kandidatinnen. 

Das Projekt bedeutete wesentlich mehr Arbeit, als wir uns vorgestellt hatten, denn am Ende saßen 11 Teilnehmer*innen auf dem Podium. Ein elfseitiger Fragebogen mit sieben Themenfeldern und 50 Fragen war erarbeitet, versandt und ausgewertet worden. Steckbriefe der Kandidat*innen und Infografiken waren erstellt worden. Ein Online Wahlomat, wie man ihn von der Bundestagswahl kennt, war programmiert worden und am Ende stand eine fast dreistündige Podiumsdiskussion, die live gestreamt wurde und auch heute noch auf unserer Facebookseite betrachtet werden kann. Meinen Dank möchte ich an dieser Stelle Kilian Grohberger (Programmierung), Fabian Reichert (Technik) sowie den Firmen InPhase Event GmbH, Pulst Audio und 4media.biz sowie Tom Land von der Bamberger Landwinkl Bräu, dem Mütterzentrum Känguruh und Pfarrerin Kerstin Kowalski aussprechen. Danke, dass ihr diese Veranstaltung, die ohne Frage ein Highlight des Kommunalwahlkampfes war, ermöglicht habt.

Nur wenige Tage später, am 14. Februar nahmen wir an der Vortragsreihe „Perspektive Ost | Bamberger Konversionen“ des Amts für Strategische Entwicklung und Konversionsmanagement teil. Nachdem der Architekt Martin Sauerzapfe auf die aktuelle Situation im Entwicklungsprozess eingegangen war und skizziert hatte, wie ein künftiges Kulturquartier aussehen könnte, stellten wir unseren Verein vor und welche Funktion der Verein in einem künftigen Kulturquartier ausüben könnte. Visitenkarten wurden getauscht und wir vereinbarten ein direktes Gespräch mit Martin Sauerzapfe, um unsere Vorstellungen und Anforderungen an die künftigen Räume einzubringen.

Tags darauf, am 15. Februar, waren wir mit unserem kleinen Infostand auf dem Maxplatz beim Fest der Demokratie vertreten, um zusammen mit über 1.000 anderen ein klares Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen.

Am 22. Februar nahmen wir an der Demonstration „Kultur Braucht Raum“ teil, um für mehr Platz und Räume für Kultur in Bamberg einzutreten.  Auch hier geht mein Dank wieder an Eli und Kilian Grohberger und Matthias Schnapp.

Natürlich gab es auch unsere regelmäßigen offenen Treffs und wir nahmen noch an verschiedenen anderen Veranstaltungen teil. An dieser Stelle möchte ich noch einen besonderen Dank Mario Nimke aussprechen, der immer da war und mitanpackte, obwohl er im tiefsten Steigerwald wohnt. Danke.

*LOCKDOWN*

Der Lockdown war wie eine Vollbremsung in voller Fahrt. Die ersten Überlegungen für den Kulturherbst 2020 lagen bereits auf dem Tisch, Gesprächstermine waren in Vorbereitung und plötzlich – nichts geht mehr. Schockstarre und völliger Stillstand. Selbst die Kommunalwahl trat in der Bedeutung hinter dieses Ereignis zurück.

Wir brauchten eine Weile, um uns aus der Starre zu lösen und allmählich wieder etwas Leben in den Verein zu bringen. Unser Schriftführer Max Mende war hier immer wieder die treibende Kraft, dass wir uns online per Zoom getroffen haben und nicht komplett im Lockdown versunken sind. Ganz lieben Dank, dass du hier immer wieder Impulse gibst und mit deiner Energie den Laden am Laufen hälst.

Die Wahl aber hauptsächlich die Pandemie haben sehr vieles verändert.

Im Januar bereits hatten wir erfahren, dass es Überlegungen gab, die Posthalle an die Stadtbau GmbH zu verkaufen. In der Folge begann die Gerüchteküche zu brodeln und es drangen immer wieder unterschiedliche Informationen zu uns durch. Nachdem wir erfahren hatten, dass das Thema im Aufsichtsrat der Stadtbau GmbH besprochen und möglicherweise direkt beschlossen werden solle, sahen wir uns veranlasst mit einem Schreiben an die Stadtführung, den Stadtrat und den Aufsichtsrat der Stadtbau unsere Position und unsere Bedenken vorzubringen.
Ebenso nahmen wir Stellung zu dem Antrag „Kultur braucht Raum IV – Soziokultur auf der Lagarde, Kultur auf der Kaserne“, der Fraktionen Grünes Bamberg, ÖDP, Volt und der Stadtratsfraktion der SPD zur weiteren Entwicklung des Kulturstandortes in der Lagarde-Kaserne.

In beiden Fällen waren wir in keiner Weise befragt oder beteiligt worden, was uns nicht nur befremdete, sondern auch verärgerte, denn es war unser Verein, der über die Jahre hinweg und allen Veränderungen zum Trotz, die Idee eines Kulturquartier als Mitte für den Bamberger Osten und als Quartier für die ganze Stadt hochgehalten hatte.

Im Sommer nutzten wir die Möglichkeit für zwei Treffen in der realen Welt. Eines der Treffen fand zusammen mit der neuen Kulturreferentin Ulrike Siebenhaar statt, um ihr unsere Ziele und Vorstellungen im direkten Gespräch vorzustellen. Natürlich sprachen wir auch das Thema Posthalle und Stadtbau an.

Außerdem gab es einige Termine zum Thema Proberaumzentrum, wo wir unseren Schriftführer Maximilian Mende mit seinem Verein Bamberger Festivals e.V. unterstützen.

Im Oktober ging es dann plötzlich ziemlich schnell und binnen weniger Tage wurde ein Ortstermin in der Posthalle vereinbart. Initiiert hatte den Termin Ulrike Siebenharr. An dem Treffen nahmen Veit Bergmann, Geschäftsführer der Stadtbau, Harald Lang Leiter des Konversionsamtes, Anne Renz-Sagstetter und Oliver Will vom Kulturamt sowie Michi Schmitt von machbar bzw. kontakt teil. Seitens unseres Vereins nahmen Maximilian Mende und Rainer Pfaff teil. Das Gespräch wurde kontrovers geführt. Zum einen konnten wir die Vorstellungen der Stadtbau so nicht akzeptieren und auch innerhalb der Verwaltung gab es unterschiedliche Positionen. Der Punkte, der uns am meisten ärgerte, war, dass die Vorarbeiten der letzten Jahre sowohl von unserer Seite als auch seitens des Konversionsamtes und des Kulturamtes anscheinend nicht bekannt waren und somit auch nicht berücksichtigt wurden. Verglichen mit dem Stand vom Februar des Jahres, bedeutete das einen Rückschritt von mindestens zwei Jahren, in die Zeit vor dem Eloprop Gutachten, den baulichen Untersuchungen, dem Gutachten zu möglichen Schallemissionen und dem Architekturwettbewerb. Außerdem wurde ziemlich deutlich, so zumindest unsere Wahrnehmung, dass sich die Begeisterung der Stadtbau für das Projekt stark in Grenzen hält und man hier andere Nutzungen lieber sähe. Als Ergebnis des Gesprächs wurde vereinbart, dass unser Verein und machbar jeweils ein Grobkonzept mit den eigenen Vorstellungen und Anforderungen erstellen und der Stadtbau zukommen lassen. Direkt nach dem Treffen vereinbarten wir mit Michi Schmitt, dass wir unsere Positionen abstimmen wollten.

In einem vierstündigen Online Meeting formulierten wir unsere Positionen und führten diese mit den Positionen von machbar zusammen. Am nächsten Tag erfolgt noch die finale Abstimmung und am Ende stand ein Papier, das die Forderungen und Vorstellungen beider Parteien enthielt. Unsere zentralen Punkte waren dabei, dass die Räume allen Bürgerinnen und Bürgern offenstehen sollen, dass auch Nutzungen über 24 Uhr hinaus möglich sein müssen und dass das Gesamtziel eines Kulturquartiers mit den Komponenten Posthalle, Reithalle, 7114 und Kulturhof nicht aufgegeben, sondern aktiv weiterverfolgt wird. Das gemeinsame Schreiben findet ihr hier:

In Folge gab es dann am 30. November ein Treffen im Rathaus. Zu dem Treffen hatte OB Andreas Starke eingeladen. An dem Treffen nahmen teil: OB Andreas Starke, BM Jonas Glüsenkamp, Kulturreferentin Ulrike Siebenhaar, Veit Bergmann, Renate Schlipf von machbar, Maximilian Mende für den Bamberger Festivals e.V. und Rainer Pfaff für unseren Verein. Kulturamt und Konversionsamt waren nicht vertreten. Wir hatten von dem Treffen erwartet, dass es bei dem im Oktober vorgestellten Szenario bliebe, aber es kam zumindest teilweise anders.

Das Ergebnis des Treffens ist der Status Quo und dieser sieht wie folgt aus:

Die Stadtbau GmbH übernimmt die Posthalle und ertüchtigt diese rudimentär (Wasser, Abwasser, Strom), sodass ab Mitte 2021 eine Zwischennutzung durch unterschiedliche Akteure möglich ist.
Die Verwaltung der Halle soll durch das Kulturamt erfolgen. Nach Ablauf der Zwischennutzungszeit soll etwa 1/3 der Halle weiterhin kulturell genutzt werden. Die anderen 2/3 will die Stadtbau einer kommerziellen Nutzung zuführen, um die kulturelle Nutzung und den Unterhalt des Gebäudes zu finanzieren. Die Stadtbau sieht aktuell folgende Einschränkungen bei der Nutzung, die noch geprüft werden sollen:

  • Schallemissionen größer 90dB seien nicht möglich, da das Gebäude teilweise genietet ist und es durch Erschütterungen möglicherweise zu strukturellen Schäden kommen könnte.
  • Eine kulturelle oder kulturnahe Nutzung der kommerziellen 2/3 sei ausgeschlossen, da durch die durchgängige Bodenplatte Erschütterungen aus dem einen Bereich in alle anderen Bereiche übertragen würden.
  • Es müsse eine entsprechend rentable Nutzung gefunden werden, um die hohen Kosten für Sanierung und Unterhalt zu erwirtschaften.

Machbar schlägt vor, dass langfristig auch kulturelle Nutzungen ohne hohe Lärmemissionen denkbar seien, wie die Nutzung durch Künstlerateliers oder ähnliches. Unser Verein bat darum, hier offen heranzugehen und verschieden Szenarien, wie z.B. das des Kulturamtes, das u.a. eine teilweise Nutzung von Räumen durch das Kulturamt selbst vorsieht, zu berücksichtigen und zu prüfen. Weiterhin baten wir darum, dass es einen „Kümmerer“ geben soll, also eine Person, die für das Gebäude und die weitere Entwicklung des Quartiers zuständig ist. Weiterhin legten wir Wert darauf, dass das übergeordnete Ziel eines Kulturquartiers erhalten bliebe. An dieser Stelle zeigte sich, dass totgeglaubte länger leben, denn nachdem man mehrfach die Idee beerdigt hatte, ist nun wieder die Idee einer Markthalle in der Reithalle auf dem Tablett.  Konkrete Pläne gibt es aber weiterhin nicht.

Soweit der Stand. Was ist aus unserer Sicht davon zu halten?

Natürlich ist allen klar, dass aktuell keine großen Sprünge möglich sind. Positiv ist, dass durch die Zwischennutzung ein völliger Stillstand verhindert wird, große Räume für Pandemie-konforme Nutzungen zur Verfügung stehen, Nutzungen ausprobiert und Betreibermodelle entwickelt werden können.

Das vorgeschlagene Modell ist eine Chance den tatsächlichen Bedarf zu evaluieren und bei entsprechendem Erfolg, dürfte es schwierig werden, hier nochmal einen Schritt zurückzugehen.

Wir sehen aber auch Risiken. Ein erfolgreicher Betrieb wird grundlegend davon abhängen, was in den Räumen möglich ist. Sollte es zu den Einschränkungen mit maximal 90dB und 24 Uhr kommen, dürfte das Projekt zum Scheitern verurteilt sein, bevor es wirklich startet. Aktuell sucht die Stadtbau GmbH, so unser Eindruck, hier eher nach Gründen, als nach Lösungen. Es wird daher zu prüfen sein, wie in anderen Immobilien dieser Bauart verfahren und ein Veranstaltungsbetrieb ermöglicht wurde.
Weiterhin muss der Druck aufrechterhalten werden, dass zum einen die umfangreichen Vorarbeiten des Konversionsamtes kein teures Altpapier werden und zum anderen die bereits getroffenen Beschlüsse des Kultursenates und die Festlegungen des Bebauungsplanverfahrens eingehalten werden.

Es ist daher unerlässlich, dass der Stadtrat sich zeitnah mit der konkreten Ausgestaltung des Quartiers befasst und dafür mittelfristig die nötigen Mittel bereitstellt. Denn einige Dinge müssen klar sein. Komplett zum Nulltarif wird es ein Kulturquartier nicht geben können. Es muss weiterhin klar sein, dass ein kleines Kulturzentrum ohne entsprechendes Umfeld, nicht die Attraktivität und Strahlkraft entwickeln kann, die notwendig ist, um dauerhaft bestehen zu können. Auch von einem Kulturquartier kann dann keine Rede mehr sein und die gewünschte städtebauliche Funktion als Mitte für den Bamberger Osten bliebe aus. Stattdessen dürfte der Kulturhof zu einer weiteren städtebaulichen Wüste ohne Aufenthaltsqualität und Leben werden, ähnlich dem Maxplatz.

Eine Nutzung der Reithalle als reine Markthalle würde bedeuten auf die fast schon einmalige Chance zu verzichten, die Lücke zu füllen, die seit der Schließung des Zentralsaales klafft. Der Beweis, dass eine Nutzung für kulturelle Zwecke bei einem entsprechenden Programm auch innerhalb eines Wohngebietes nicht unmöglich ist, zeigt die Konzert- und Kongresshalle in der Mußstraße. Und auch für Nutzungen, die Kultur und Marktbetrieb vereinen gibt es erfolgreiche Beispiele. Im Januar soll es das nächste Treffen zu dem Thema geben. Wir werden berichten.

Wie ihr seht ist also auch 2020 einiges geschehen und 2021 hält bereits jetzt viele Aufgaben bereit. Ganz oben auf der Agenda steht die Durchführung der Jahreshauptversammlung, die dieses Jahr bedingt durch die Pandemie nicht stattfinden konnte. Direkt auf Position zwei steht die Wiederbelebung des offenen Treffs. Vorläufig noch als Online-Format und sobald möglich wieder in unserer geliebten Ostbar. Was wir ebenfalls jetzt schon angehen wollen ist die Planung des nächsten Kulturherbstes, dann hoffentlich in der Posthalle. Über Ideen, Wünsche und Vorschläge dazu würden wir uns sehr freuen.

Ich bitte zu entschuldigen, dass dieser Jahresrückblick etwas länger ausgefallen ist, als sonst üblich, aber es gab ja auch einiges zu berichten.

Im Namen des gesamten Vorstandes wünsche ich allen Mitgliedern, Unterstützer*innen und Freund*innen des Vereins Kulturquartier Lagarde e.V. ein glückliches und gesundes neues Jahr.

Rainer Pfaff

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